Die Bibel, ein Naturkundebuch?

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Die Welt wurde in sechs Tagen geschaffen. Wann das war: vor ca. 10.000 Jahren. Was genau geschah: Im Buch Genesis, dem allerersten Buch der Bibel, finden wir eine detaillierte Beschreibung. Am ersten Tag schuf Gott das Licht. Tag und Nacht waren fortan unterscheidbar. Hierauf folgte am zweiten Tag die Erschaffung des Himmelsgewölbes, bevor Gott am dritten Tag Land von Wasser trennte und die Pflanzen schuf. Am vierten und fünften Tag gestaltete Gott die Himmelskörper sowie die Meerestiere und Vögel. Am sechsten Tag entstand nach der Erschaffung der Landtiere schließlich der Mann und aus dessen Rippe die Frau. Damit war der Mensch erstanden und die Schöpfung abgeschlossen. „Am siebten Tag vollendete Gott das Werk, das er geschaffen hatte, und er ruhte am siebten Tag, nachdem er sein ganzes Werk vollbracht hatte“ (Gen 2,2).

Im Christentum gibt es viele unterschiedliche Konfessionen. Neben der katholischen Kirche mit dem Papst in Rom gibt es eine große Vielzahl an weiteren Ausprägungen christlichen Lebens. Unter ihnen findet man solche, die Evangelikale genannt werden. Sie sind aus dem Protestantismus entstanden (Protestantismus im 16. Jahrhundert durch Martin Luther eingeleitet). Einige von ihnen nehmen die Bibel eins zu eins wörtlich, selbst in naturwissenschaftlicher Hinsicht. Deshalb findet in bestimmten Schulen, an denen sie Einfluss haben, der Biologieunterricht gemäß ihrer Meinung statt. Dort wird dann der biblische Schöpfungsbericht als naturwissenschaftliche Lehre verkündet anstatt der Evolutionstheorie.

Dass es zu krassen Widersprüchen kommen kann, zeigen wissenschaftliche Erkenntnisse. Es gibt – um nur ein Beispiel zu nennen – Fossilienfunde, die nach heutigen Methoden der Forschung älter als 10.000 Jahre sind. Da wird die Frage laut: Warum gibt es Steine, die eher existierten, als Gott gemäß der Bibel die Welt erschaffen hat? Da widersprechen sich doch Religion und Wissenschaft?!

Um bei diesem Thema den Bogen zu anderen christlichen Auffassungen zu schlagen, gehen wir nach Rom, in den Vatikan, das Herz der mit über 1 Mrd. Gläubigen größte Konfession im Christentum.

Noch im ausgehenden Mittelalter hatte die katholische Kirche ein gespanntes Verhältnis zu einigen Wissenschaftlern, wie dem Astronomen Galileo Galilei. Dieser hatte das kopernikanische Weltbild bestätigt, nach dem die Sonne und eben nicht die Erde der Mittelpunkt unseres Universums sei. Mit dieser Lehre sah sich die katholische Kirche, zur damaligen Zeit eine große politische Machtinstitution in Europa, in ihrer Autorität angegriffen. Galilei musste in der Folge seine Lehre widerrufen, da er die Bibel nicht als absolute wissenschaftliche Autorität anerkannt hatte. Erst Jahrhunderte später unter Papst Johannes Paul II. kam die katholische Kirche 1992 zu dem Schluss, dass ihr Umgang mit Galilei nicht richtig war.

Was war passiert, dass sich die katholische Kirche von der Verurteilung Galileis distanziert und ihm nun sogar eine Statue errichten will?

Es geht um den Grundanspruch der Bibel. Im katholischen Verständnis verkündet die Heilige Schrift die Heilsgeschichte Gottes. Sie ist aber kein Naturkundebuch. Es spielt eben für den persönlichen Bezug des Glaubenden zu Gott keine Rolle, ob die Welt in exakt sechs Tagen gemäß der genau beschriebenen Reihenfolge erschaffen wurde oder nicht. Es wäre auch widersprüchlich, wenn Gott den Menschen einerseits ermöglicht, in wissenschaftlicher Arbeit herauszufinden, dass die Welt nicht in genau sechs Tagen erstanden ist, andererseits den Menschen durch die Bibel zwingt, genau das zu glauben.

Die Bibel mit ihrem ureigenen theologischen Anspruch lässt in diesem Sinne eine Vereinbarkeit des christlichen Glaubens mit modernen wissenschaftlichen Theorien, wie der Urknalltheorie, zu. Denn selbst wenn die Naturwissenschaft das Rätsel des Urknalls komplett löst, bleibt immer noch die Frage offen, was davor war, was der eigentliche Ursprung aller Materie, allen Seins ist und von wem der allererste Impuls gegeben wurde. Diese Fragen können gläubige Menschen mit einem Wort beantworten: Gott.

 

Michale Sendker

michael_sendker@yahoo.com

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