Die Rückkehr Jesu (Friede sei mit ihm!)

Die Rückkehr Jesu (Friede sei mit ihm!)

Thomas Michel

In keinem Bereich ist die Kommentierung so schwer wie in den Abschnitten der heiligen Texte, die sich mit der zukünftigen Zeit und mit dem kommenden Zeitalter befassen. Ob diese Abschnitte von dem Herannahen des Jüngsten Gerichts in den Ayat des Koran handeln oder von apokalyptischen christlichen Textsstellen, die den Tag der Auferstehung behandeln, beide sind, wie man nachvollziehen kann, mit schwierigen, ungeregelt, durcheinandergeworfenen Symbolen und mit unbestimmten Andeutungen und Anspielungen gespickt. Für solche Abschnitte bedarf es der Interpretation eines gläubigen und gewissenhaften Gelehrten der seinen Glauben auf feste Fundamente stützt, und es bedarf seiner Disziplin, sich mit dem maßgeblichen Text intensiv zu befassen. Ansonsten kann der Kommentator sehr leicht von der eigentlichen Bedeutung des Textes abweichen aufgrund seiner Vorkenntnisse und Vorurteile.

Wir sehen, dass Said Nursi bei den zeitgerechten Interpretation, hinsichtlich der Rückkehr Jesu (Friede sei mit ihm!) vor dem Auszug Hz. Mohammeds nach der Überlieferung, sorgfältig und aufmerksam vorgeht. Er nimmt die Richtigkeit dieser maßgeblichen Überlieferung an und wartet auf die Rückkehr Jesu (Friede sei mit ihm!). “Wenn der Allmächtige es versprochen hat, dann wird er es mit Sicherheit auch so geschehen lassen.“ (Said Nursi, Mektubat, s.53-55) Er wird Jesu (Friede sei mit ihm!) zurückbringen. Zur Zeit befindet sich der Jesu (Friede sei mit ihm!) wie der Hz. Enoch (arabisch: Idris) mit seinem irdischen Körper im Himmel.(Said Nursi, Mektubat, s.6) Aber er wird in der Zeit vor dem Ende der Welt wieder auf die Erde zurückkehren, um gegen den falschen Messias (Lügner) (arabisch=Dajjal) zu kämpfen und ihn zu beseitigen. Die Bedeutung der Überlieferung sollte, wie Said Nursi es gesagt hat, dieser Begriff sollte im Sinne eines geistig-repräsentativen Persönlichkeit verstanden werden. Das Geheimnis der Überlieferung mit dem Inhalt ”In der Zeit vor dem Ende der Welt wird Jesu (Friede sei mit ihm!) zurückkehren und nach der Gesetzgebung, die Muhammed (Friede sei mit ihm) gelehrt hat, handeln”, ist folgendes: In der Zeit vor dem Ende der Welt wird die christliche Religion durch Ablassen von abergläubischen Vorstellungen, den von der naturwissenschaftlichen Philosophie verursachten Unglauben und die Verleugnung der göttlichen Existenz töten und sich in gereinigter Form zum Islam umgestalten.

So wie das Christentum mit dem Schwert und göttlicher Eingebung die metaphorische Person des schrecklichen (entsetzlichen) Unglaubens tötet, so tötet Jesu (Friede sei auf ihm!), in dem er die metaphorische Person des Christentums präsentiert, den falschen Messias Dajjal, der die metaphorische Person des Unglaubens repräsentiert, d.h. er beseitigt ”die Idee der Verleugnung des göttlichen Wesens.”(Said Nursi, Mektubat, s.6) Said Nursi zieht in Erwägung, dass die zwei Großen gegen die Religion gerichteten Angriffe von den beiden mit üblen Charakteren ausgestatteten Figuren Namens Sufyan und Dajjal, aus zwei atheistischen Strömungen kommen. Der erst genannte Sufyan wird versuchen, Mohammeds Gesetz für ungültig zu erklären und er wird vom Mechdi, der von Mohammeds Stamm kommt, besiegt. Der zweit genannte Dajjal wird die naturwissenschaftliche und die materialistische Philosophie anführen und die völlige Verleugnung der göttlichen Existenz Gott veranlassen. Beide Bewegungen werden in Form eines geheimen Bunds arbeiten, den Glauben an Gott aus den Herzen der Menschen nehmen und im sozialen Leben die Grundlage der Göttlichkeit beseitigen. (Said Nursi, Mektubat, s.413) Was sich der zweiten Strömung widersetzt, ist das wahre bereinigte Christentum, welches die ideeller Persönlichkeit des auf die Erde zurückkehrenden Jesu (Friede sei mit ihm!) in sich fasst. Das wahre Christentum wird sich den abergläubischen Vorstellungen und Fälschungen entziehen und wird sich mit der islamischen Lehre vereinigen. Wie Said Nursi es geschrieben hat, ”wird sich das Christentum irgendwie zum Islam umgestalten.” (Said Nursi, Mektubat, s.53)

Es ist nicht erforderlich, dass jeder von der Rückkehr des Jesu (Friede sei mit ihm!) weiß und ihn erkennt. Said Nursi nimmt an mit großer Wahrscheinlichkeit, dass nur die wahren Gläubigen und die Jesu (Friede sei mit ihm!) Nahestehenden ihn wirklich erkennen und von seinem Wissen profitieren, also nicht alle ihn erkennen werden. Das wichtigste ist die Existenz des falschen Messias, der in der menschlichen Welt die atheistischen Strömungen symbolisiert und ein beachtlicher und tüchtiger Gegner der Gläubigen ist, der viele mit seinen falschen Paradiesversprechungen, reizvollen Spielen und Festen und vielfältigen Phantasien der Zivilisation betrügen wird. Es ist unmöglich für einen, der Said Nursis Dajjalsbeschreibungen liest, die Andeutungen sowohl hinsichtlich der weltlichen Führung der europäischen Nation als auch des alten Sowjetischen Imperiums zu übersehen. Folglich wartet er mit Sehnsucht auf den Tag, an dem sich das wahre Christentum zeigen wird und sein Licht ausstrahlen wird, um gegen die geheimen Vereine des Sufyans und Dajjals zu kämpfen.

Dieses bereinigte Christentum beschreibt er als einen Verband der unter dem Namen einer hingebungsvollen opferbereiten Gemeinschaft auftritt und dem Titel eines ”Muslimischen Christen” (türk.= müslüman Isevi) würdig ist. Diese Gemeinschaft bemüht sich um die Vereinigung der wahren Religion Jesu (Friede sei mit ihm!) mit der Wahrheit des Islams und wird das Komitee Dajjals unter der Führung Jesu (Friede sei mit ihm!) auseinander jagen und auflösen. Sie wird die Menschheit vor der Verleugnung der Göttlichkeit retten. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, ist die von Said Nursi erwartete Bereinigung des Christentums nicht so zu erwarten, dass Christen ihre Religion, aufgeben müssen, um den Islam anzunehmen; vielmehr, wird es so sein, dass sie ihre Religion, die bereits das Gute besitzt, vervollständigen und sie die göttliche Vollkommenheit erlangen lassen. In einer Deutung sagt Said Nursi folgendes über die Koranverse, die die Buchbesitzer ansprechen: ”Der Koran verlangt von euch nicht, dass ihr euch von eurer Religion gänzlich abwendet. Vielmehr fordert euch auf, eure Religion vollkommen zu machen und ihn auf den Grundlagen der Religion aufzubauen, die schon eure ist. Denn der Koran vereinigt in sich die Tugenden aller vorangegangenen Religionen. Er ist abändernd und macht vollkommen. Darin hat der Koran auch bestimmte Teilbereiche der vorausgegangenen Religionen abgeändert, dass heißt, er hat festgesetzt, dass ihre Zeit vorüber und die Zeit für neue Anweisungen gekommen ist.“ (Said Nursi, Isaretü´l – icaz, s.55-56)

Publiziert in der Ayasofya 35, 2011

Prof. Dr. Thomas Michel

Generalsekretär des Sekretariats für interreligiösen Dialog, Vatikan.

tmichel@sjcuria.org