Einige Geschichten über den Mulla Nasruddin

Einige Geschichten über den Mulla Nasruddin

 

 

Die Geschichte über den Schmuggler

 
Jeden Tag ging Nasruddin mit seinem Esel über die Grenze, die Lastkörbe hoch mit Stroh beladen. Da er zugab, ein Schmuggler zu sein, durchsuchten ihn die Grenzwachen immer wieder. Sie machten Leibesvisitationen, siebten das Stroh durch, tauchten es in Wasser und verbrannten es sogar von Zeit zu Zeit. Nasruddin wurde unterdessen sichtlich wohlhabender.

Schließlich setzte er sich zur Ruhe und zog in ein anderes Land. Dort traf ihn Jahre später einer der Zollbeamten.

„Jetzt könnt ihr es mir verraten, Nasruddin.“ sagte er. „Was habt ihr damals bloß geschmuggelt, als wir euch nichts nachweisen konnten?“

„Esel.“ sagte Nasruddin.

 

 

 

Die Geschichte mit der Jagd

 

 

Ein König, der sich gerne von Nasruddin Gesellschaft leisten ließ und zudem die Jagd liebte, befahl dem Mulla eines Tages, ihn auf eine Bärenjagd zu begleiten. Nasruddin schlotterte vor Angst. Als er in sein Dorf zurückkehrte, fragte ihn jemand: „ Na, wie war es auf der Jagd?“

„Phantastisch.“

„Wie vielen Bären seid ihr begegnet?“

„Keinem einzigen.“

„Aber, wie kann die Jagd dann phantastisch gewesen sein?“

„Wenn einer Bären jagt und so einer ist wie ich, dann ist es eine phantastische Erfahrung, keinem einzigen Bären zu begegnen.“

 

 

Die Geschichte von der Entensuppe

 

Ein Verwandter kam von irgendwo tief aus dem Hinterland, den Mulla zu besuchen, und brachte als Geschenk eine Ente mit. Hocherfreut ließ Nasruddin die Ente zubereiten und teilte das Mahl mit seinem Gast. Es geschah jedoch, dass in der Folgezeit ein Mann vom Lande nach dem anderen bei Nasruddin auftauchte, jeder ein Freund des Freundes des Mannes, der die Ente mitgebracht hatte. Weitere Geschenke gab es allerdings nicht.

Schließlich waren die Mittel des Mulla erschöpft. Eines Tages erschien wieder einmal ein Fremder. „Ich bin der Freund des Freundes des Verwandten, der die Ente mitgebracht hat.“

Er setzte sich nieder und erwartete wie all die anderen ein Mahl aufgetischt zu bekommen. Nasruddin setzte ihm eine Schale heißes Wasser vor.

„Was ist das?“

„Das ist die Suppe der Suppe der Ente, die mir mein Verwandter mitgebracht hat.“

 

Die Geschichte mit dem wohlhabenden Mann

 

Nasruddin kam zum Haus eines wohlhabenden Mannes, um für wohltätige Zwecke zu sammeln. Der Hausdiener sagte: „Mein Herr ist ausgegangen.“

„Na gut.“ entgegnete der Mulla. „auch wenn er keinen Beitrag leisten konnte, so will ich dir doch einen guten Rat für deinen Herrn überlassen. Sag deinem Herrn, das nächste Mal, wenn er aus dem Haus geht, soll er nicht sein Gesicht am Fenster vergessen – es könnte ihm gestohlen werden.“

 

 

 

Die Geschichte mit dem Nachbarn

 

Ein Nachbar kam zu Nasruddin, um sich dessen Wäscheleine auszuborgen. „Tut mir leid, aber ich trockne gerade Mehl daran.“

„Aber wie kann man Mehl an der Wäscheleine trocknen?“

„Oh, wenn du sie nicht verleihen willst, ist das weniger schwierig als du denkst.“

 

 

 

Die Geschichte mit dem Wassertümpel

 

Der Mulla fiel einmal beinahe in einen Wassertümpel. Ein Mann, der gerade vorüber kam, bewahrte ihn im letzten Moment davor. Jedes mal nun, wenn Nasruddin dem Mann begegnete, erinnerte er ihn daran, wie er ihn damals vor dem Nasswerden gerettet hatte. Endlich wurde dem Mulla das zuviel; er führte seinen Freund an den Tümpel, sprang hinein, tauchte bis zum Hals unter und schrie: „Jetzt bin ich endlich so nass, wie ich gewesen wäre, wenn ich dich nie getroffen hätte! Und jetzt lass mich bloß in Frieden.“

 

 

 

Die Geschichte über die Frau und dem Zucker

 

Als Nasruddin Friedensrichter war, brachte eine Frau ihren Sohn zu ihm. „Dieser Junge“ sagte sie, „isst zu viel Zucker. Ich kann es mir nicht leisten, ihm ständig so viel zu geben. Ich bitte euch deshalb, ihm offiziell zu verbieten, so viel Zucker zu essen; mir will er nicht gehorchen.“

Nasruddin sagte ihr, sie solle in sieben Tagen wiederkommen.

Als sie wiederkam, verschob er seine Entscheidung um eine weitere Woche.

„Jetzt“ sagte er dann zu dem Jungen, „verbiete ich dir, mehr als so und soviel Zucker pro Tag zu essen.“

Die Frau fragte daraufhin, warum er solange gebraucht hatte, um eine so einfache Anordnung treffen zu können.

„Sehen sie meine Dame“ sagte der Mulla, „ich musste erst herausfinden, ob ich selbst meinen Verbrauch an Zucker einschränken kann, bevor ich es jemand anderem verbiete.“

 

 

 

Die Geschichte mit der Kerze

 

Der Mulla ging nachts im Dunkeln mit einer Kerze in der Hand seinen Weg und sagte: „Ich kann im Dunkeln sehen.“

„Das mag ja sein, Mulla. Aber wenn dem so ist, warum läuft ihr dann mit einer Kerze in der Hand herum?“

„Damit die anderen Leute mich nicht umrennen.“

 

 

 

Die Geschichte im Hamam

 

Nasruddin besuchte ein türkisches Bad. Da er in Lumpen gekleidet war, behandelten ihn die Diener von oben herab und gaben ihm ein schäbiges Handtuch und einen winzigen Rest Seife. Beim Verlassen des Badehauses drückte er den verblüffenden Bademeistern eine Goldmünze in die Hand. Am nächsten Tag erschien der Mulla wieder, prächtig gekleidet, und wurde natürlich mit größter Aufmerksamkeit und Hochachtung behandelt.

Nach dem Bad überreichte Nasruddin den Badewärtern die kleinste Kupfermünze, die es gab.

„Dies“, sagte er, „ist für eure Bedienung beim letzten Mal. Die Goldmünze war für eure Behandlung bei diesem Mal.“

 

 

 

Die Geschichte mit dem Glas Milch

 

Nasruddin und ein Freund wanderten eine staubige Straße entlang und wurden sehr durstig. Sie machten bei einem Teehaus halt und stellten fest, dass sie zusammen gerade noch genug Geld hatten, um ein Glas Milch zu kaufen. Der Freund sagte: „Trink du deine Hälfte zuerst, ich habe noch eine Prise Zucker, die ich in meinen Anteil hineintun will.“

„Gib ihn jetzt hinein, Bruder, so dass wir beide etwas davon haben.“ Sagte der Mulla.

„Nein, es ist nicht genug, um ein ganzen Glas zu süßen.“

„Nasruddin ging in die Küche und kam mit einem Salzstreuer zurück. „Gute Nachricht, Freund. Ich trinke meine Hälfte mit Salz. Und es ist genug für das ganze Glas da.“

 

 

 

Die Geschichte mit dem Esel

 

Ein Nachbar kam zu Nasruddin und wollte sich seinen Esel ausleihen.

„Ich habe ihn bereits verliehen.“ Sagte der Mulla.

In diesem Moment schrie der Esel laut aus dem Stall.

„Da hinten höre ich ihn doch schreien.“

„Also, wem glaubst du nun“, erwiderte Nasruddin, „mir oder einem Esel?“

 

 

 

Die Geschichte mit dem König

 

 

Der Mulla war aus der Residenz in sein Heimatdorf zurückgekehrt. Die Dorfbewohner scharten sich um ihn, um zu hören, welche Abenteuer er zu berichten habe.

„Ich will vorerst nicht mehr sagen“, verkündete er, „als das der König zu mir gesprochen hat.“

Ein erregtes Raunen ging durch die Menge. Der König hatte tatsächlich zu einem Einwohner ihres Dorfes gesprochen. Dieser Happen war für die Dörfler mehr als genug. Die Menge zerstreute sich, und jeder ging, die wunderbare Nachricht zu verbreiten. Nur der Einfältigste blieb zurück und fragte den Mulla, was der König denn genau gesagt habe.

„Nun, er sagte – und er sagte dies ganz deutlich, damit du es weißt. Er sagte:

 

 

Selma Öztürk

oeztuerk.s@gmx.de

 

Publiziert in der Ayasofya 38, 2012

 

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