Kinder – Anvertraute Allahs (s.w.t.)

Kinder – Anvertraute Allahs (s.w.t.)

 

In den vergangenen zehn Jahren erinnern wir uns an viele Fälle von Kindesmissbrauch in der Öffentlichkeit. Da war der kleine Kevin aus Bremen aus dem Jahr 2006, der seinem gewalttätigen Vater und dem Leichtsinn der Verantwortlichen aus dem Jugendamt Bremen zum Opfer fiel. Dann erinnern wir uns an den vier-jährigen Mehmet aus Zwickau, der ebenfalls 2006 an seinen Kopfverletzungen, die ihm sein Vater durch Schläge zugezogen hatte, starb. Wer nun glaubt, dass das lediglich Einzelfälle sind, hat sich gewaltig geirrt: Laut dem Bundeskriminalamt sind im vergangenen Jahr 2011 146 Kinder unter 14 Jahren an Vernachlässigung und Gewalt durch Erwachsene gestorben (Vgl. http://www.tagesschau.de/inland/kindergewalt100.html, 06.06.2012). Sie hießen Kevin, Albert, Anton, aber auch Ahmad, Hussein, Mohammed…

146 Kinder, die mal Pilot, Prinzessin, Imam oder Feuerwehrmann werden wollten.

146 Kinder, die sich nichts mehr wünschten als ein kindgerechtes Leben.

146 Kinder, denen Liebe genauso ein Fremdwort war, wie Zuneigung.

146 kleine Menschen, denen das Leben, welches Allah (s.w.t.) ihnen erst gab, unrechtmäßig genommen wurde.

146 Schöpfungen Allahs (s.w.t.), welche eine angemessene Erziehung nie genossen hatten.

146 Menschen, denen der Prophet Mohammed (s.a.v.) einen Besuch abgestanden hätte, wie er einst den kleinen Zeyd besucht hatte, weil sein Vogel Umeyr gestorben war (Vgl. Çele?en, 2010).

146 Kinder, die Allah (s.w.t.) uns anvertraute.

146 Nur in Deutschland

146 Nur im Jahr 2011…

146

 

Zwangsläufig fragt man sich, was in solchen Familien schief läuft. Innerhalb der Sozialwissenschaften ist man bestrebt hierfür Gründe zu finden, um präventive Maßnahmen zu ergreifen. Dabei bietet der Islam mit dem Qur‘an und der Sunna unseres Propheten (s.a.v.) das Licht, welche die Kinder bräuchten. Er bringt den Menschen durch den Qur’an bei, auf was Menschen in Bezug auf die Erziehung, auf die Familie und im Umgang mit Kindern,  zu achten haben. Durch unzählige, normative Beispiele aus dem Leben unseres geliebten Propheten Mohammed (s.a.v) und durch die Rechtleitung des barmherzigen Allahs (s.w.t.) sollte es vor allem uns Muslime nicht schwerfallen Kindern ein angenehmes Leben zu ermöglichen.

 

Verantwortung übernehmen

 

Im heiligen Qur’an weist uns Allah (s.w.t) in der Sura Kahf auf folgendes hin:

…die Kinder sind der Schmuck des irdischen Lebens. (Qur’an 18:46)

Man stelle sich ein Haus ohne Dach, ein Auto ohne Räder, ein Bett ohne Matratze, einen Tag ohne Nacht, einen Fernseher ohne Bildschirm, einen Muslim ohne Iman, eine Moschee ohne den Ethan oder ein Gebet ohne Takbir vor. So würde sich das Leben ohne Kinder anfühlen. Ziemlich kahl, ziemlich trist und ziemlich einsam…

 

Dieser Schmuck des Lebens ist es, die Mütter und Väter zu Helden und Schwestern und Brüder zu Vorbildern machen. Doch wer mit Schmuck durchs Leben geht trägt auch viel Verantwortung für diesen. Er muss zunächst sehr viel in ihn investieren, sollte ihn möglichst tragen, darf ihn nie unbeobachtet lassen, sollte ihn regelmäßig pflegen und schlussendlich den Wert gut abschätzen. Dass Schmuck also zwangsläufig Verantwortung mit sich bringt ist offensichtlich. Wie ist es also mit der Verantwortung gegenüber unseren Kindern?

Zunächst einmal ist es obligatorisch vor einem Kinderwunsch viele Fragen geklärt zu haben. Vielen Menschen heutzutage ist das nicht bewusst, welche Fragen vor allem im vornherein geklärt werden müssen. Ist das nötige Geld für Anschaffungen überhaupt vorhanden? Sind wir überhaupt als Eltern geeignet? Ist unsere Beziehung stark genug, um sie eventuell mit einem Kind zu „belasten“? Sind wir mit den bereits vorhandenen Kindern nicht schon überlastet?

 

So geschieht es häufig, dass Familien, die in schlechten Verhältnissen leben, mehr Kinder zur Welt bringen, als man ihnen zumuten kann (Vgl. Bundesregierung, 2001). Daraus resultieren Probleme, die sie vorher nicht bedachten. Nun geraten viele Familien in Teufelskreise aus denen sie keinen Ausweg mehr finden. Sie wissen nicht, wie man den Schmuck trägt, wie man einem Kind entgegen kommt und schon gar nicht erst wie man es erzieht. Zusätzlich haben sie oft ein Verantwortungsbewusstsein, welches den Anforderungen der heutigen Gesellschaft und des Alltags, nicht gerecht wird. Vielen Menschen in unserer Gesellschaft fällt es schwer Termine ihrer Kinder einzuhalten, sie regelmäßig zur Schule oder zum Kindergarten zu bringen oder sich ganz einfach Zeit für seine Kinder zu nehmen. Aus Überforderung resultiert oftmals Vernachlässigung, was auf Dauer und auf ganz Deutschland bezogen, eine mögliche Erklärung für die Statistiken in der Einleitung sein kann.

 

Im Folgenden soll beleuchtet werden, was ein Kind durch die Eltern erfahren muss, um sich in der Familie akzeptiert und gewünscht zu fühlen. Die islamischen Erziehungsmethoden sind für diese Ausarbeitung nur sekundär von Relevanz.

 

Gebt ihnen genug Aufmerksamkeit…

 

Unser Prophet (s.a.v.) weist uns unter anderem durch folgenden Hadith mit, wie wichtig die Kinder sind:

“Es ist  genug an Sünde, dass ein Mann jene vernachlässigt, die er zu ernähren hat“ (Berichtet von Abdullah Ibn Omar und überliefert von Abu Dawud )

 

Laut Duden vernachlässigt man seine Kinder nicht, wenn man ihnen genug Aufmerksamkeit gibt und sich ordentlich um sie kümmert. Bei dem Stichpunkt Aufmerksamkeit fällt uns schlagartig die Verbindung zwischen unserem Propheten (s.a.v.) und den kleinen Zeyd ein. Den Überlieferungen zufolge besucht unser Prophet (s.a.v.) regelmäßig den kleinen Zeyd und fragt ihn nach dessen Wohlbefinden. Zeyd spricht oft von seinem kleinen Vogel Umeyr. Unser Prophet (s.a.v.) erkennt, dass Umeyr Zeyd sehr wichtig geworden ist und spricht ihn in den darauffolgenden Begegnungen immer auf Umeyr an. Als unser Prophet (s.a.v.) eines Tages erfährt, dass der Vogel von Zeyd verstorben ist, beschließt er den kleinen Zeyd zu besuchen. Er fragt: „O Ebu Umeyr (Vater Umeyrs)! Was hast du mit dem Tier gemacht?“ Als der Zeyd  den Humor des Propheten (s.a.v.), als Ausdruck von Zuneigung und Einfühlungsvermögen, erkennt, kommt er zur Ruhe und wird in seinem Schmerz gelindert.

 

Diese Aufmerksamkeit gab unser Prophet Mohammed (s.a.v.) einem Kind, das in seiner Nachbarschaft lebte. Aber dabei blieb es nicht. Die Aufmerksamkeit des letzten Propheten (s.a.v.) zu Kindern war unbeschreiblich. Wenn er ein Kind sah verzog sich sein schönes Gesicht zu einem herzhaften Grinsen. Er nahm jedes Kind, welches er traf, auf, grüßte es, nahm es in den Arm, umarmte es, liebte es und küsste es. Gab ihnen allen die nötige Aufmerksamkeit…

 

Den Überlieferungen zufolge sprach er mit Kindern auf freundschaftlicher Basis, nicht autoritär, wie es häufig praktiziert wird. Er gab ihnen den nötigen Respekt in dem er ihnen im wahrsten Sinne des Wortes auf Augenhöhe begegnete. Zudem verhielt er sich in Anwesenheit der Kinder kindlich, spielte mit ihnen, scherzte mit ihnen, aber gab ihnen auch, je nach Alter mehr oder weniger, Ratschläge für ihr Leben.

 

 

Liebe und Zuneigung

 

Das letzte Geschenk Hz. Hatices (r.a) an unseren Propheten (s.a.v.) vor ihrem Tod war ohne Zweifel ihr Kind Hz. Fatima (r.a), welches den Überlieferungen zufolge ihm in ihrem Aussehen und in ihren Taten, am ähnlichsten war. Sie war nach dem Tod ihrer Mutter der größte Rückhalt ihres Vaters. Ihre Bedeutung für ihn wird uns in einem Hadith übermittelt, in dem geschrieben steht, dass derjenige, der sie verletzten würde, ihn verletzen würde. Er stellte also ihr Wohlbefinden mit seinem gleich.

 

Wenn unser Prophet (s.a.v.) von einer langen Reise nach Medine wiederkam hatte er ein traditionelles Verhalten: er begab sich zunächst in die Moschee, um ein Gebet zu verrichten, und anschließend ging er umgehend zu seiner Tochter Fatima (r.a) um sie zu umarmen, zu küssen und um an ihr zu riechen (Vgl. Suruc 2007, S.195). Ihren Geruch beschrieb er ihr mit folgenden Worten:

„Genau jetzt habe ich den Geruch des Paradieses gerochen“ (Vgl. ebd; freie Übersetzung des Autors ).

 

Sein Respekt, seine Aufrichtigkeit und seine Liebe gegenüber seiner Tochter erhielt er auch, als diese zu einer jungen Frau herangereift war. Hz. Ali (r.a.) war eines Tages leicht beschämt zu unserem Propheten (s.a.v.) in sein Haus gekommen, um ihn um die Hand seiner Tochter zu bitten. Unser Prophet Mohammed (s.a.v.) war über die Zuneigung seiner Tochter gegenüber seinem Neffen Hz. Ali (r.a) bereits informiert. Trotz dessen rief er seine Tochter zu sich, um sie nach ihrer Meinung zu fragen. Anschließend war er es persönlich, der die Verlobung und Heirat vornahm (Vgl. ebd, S. 197).

 

Seine Liebe zu Fatima (r.a) zeigte er auch im Umgang mit ihren Kindern Hasan und Hüseyin. Diese hatten schon immer einen Traum gehabt. Einmal auf einem Kamel reiten, welches sie ihr eigen nennen konnten. Da sie der Meinung waren, dass lediglich ihr Opa ihnen dieses Kamel besorgen kann, fragten sie ihn ob er nicht eins für sie kaufen könnte. Zu jener Zeit hatte unser Prophet (s.a.v.) aber leider nicht die nötigen Mittel um sich einen Kamel zu leisten. Also bückte er sich herab, stellte sich auf alle viere und sagte: „Steigt auf! Gibt es denn einen noch besseren Kamel als diesen?!“ So steigten Hasan und Hüseyin auf und vergaßen, wenn auch nur einen Moment, ihren Wunsch nach einem Kamel.

 

Das Rezept

 

In vielen Familien herrscht Unruhe. Die Kinder, welche zu Hause die Konstante und die Erholung vom Alltag finden müssten, werden oftmals in ihren Familien zusätzlich belastet. Diese Belastungen führen bei vielen Kindern auf Dauer zu psycho-sozialen Benachteiligungen. Der Umgang mit ihren Mitschülern, ihren Freunden und Geschwistern erweist sich als kompliziert. Sie reifen zu Teenagern und werden gewalttätig oder versinken in überhöhtem Alkohol- und Drogenkonsum. Sie suchen ihre Flucht aus dem Alltag bei inkonstanten Beziehungen zum anderen Geschlecht, welche viele von ihnen noch zusätzlich belastet. Als Jugendlicher werden sie häufiger straffällig und haben es mit Gerichten, Anwälten und Bewährungshelfern zu tun. Und hat einmal dieser Kreislauf begonnen finden sie keinen Ausweg mehr aus ihrer Situation.

 

Der Auslöser dieses Dilemmas ist sehr häufig auf die Erziehung im Elternhaus und vor allem auf die Bindung der anvertrauten Allahs (s.w.t.) zu ihren Eltern zurückzuführen. Um diese Bindung aufzubauen benötigt es einiges an Zutaten seitens der Eltern. Der Prophet Mohammed (s.a.v.) hat uns das Rezept hierfür geliefert:

Verantwortung, Aufmerksamkeit und Liebe.

 

 

 

 

 

Quellenverzeichnis:

Bundesregierung: Lebenslagen in Deutschland. Der erste Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, 2001

Çele?en, Nuriye: Peygamberimiz Çocuklara Nas?l Davran?rd?? ?stanbul: Nesil Yayinlari, 2010

Suruç, Salih: Peygamberimizi Nas?l Anlamal?. Çocuklar?m?za Nas?l Anlatmal?, Istanbul: Cihan Yayinlari, 2007

Tagesschau: Gewalt an Kindern – in jedem Fall eine Tragödie, Online im Internet: http://www.tagesschau.de/inland/kindergewalt100.html, 06.06.2012

Publiziert in der Ayasofya 40, 2012

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