Mulla Nasruddin

Mulla Nasruddin

 

Mulla (Meister) Nasruddin war der prominenteste Protagonist humoristischer Geschichten im gesamten türkisch-islamisch beeinflussten Raum vom Balkan bis zu den Turkvölkern Zentralasiens. Seine Geschichten sind überall im Mittleren Osten bekannt. Sie sind gesammelt in dem Buch „Die listigen Streiche des unvergleichlichen Nasruddin“. Oberflächlich werden die Nasruddin Geschichten als Witze aufgefasst, allerdings haben sie meist eine tiefere Bedeutung. Aus jedem Witz kann man somit eine „Moral von der Geschichte“ entnehmen.

 

Die historische Existenz des Mulla Nasruddin ist nicht gesichert; es wird angenommen, dass er im 13./14. Jahrhundert in Ak?ehir im südwestlichen Anatolien gelebt hat. Niemand weiß genau, wer der Mulla Nasruddin tatsächlich war, wo und wann er gelebt hat. Nach einigen Quellen zufolge wurde er im Jahr 1208 in dem Dorf Hortu in Sivrihisar einer Provinz der Stadt Eski?ehir geboren und verstarb im Jahr 1284 in Ak?ehir. Sein Vater hieß Abdullah. Er war der Imam des Dorfes Hortu. Seine Mutter hieß S?d?ka. In Sivrihisar soll er eine Madrasa – Erziehung genossen haben. Nach dem Tod seines Vaters soll er dann seinen Posten als Imam in dem Dorf Hortu übernommen haben. Im Jahr 1237 ließ er sich dann in Sivrihisar nieder und erhielt dort von den Gelehrten Seyyid Mahmud Hayrani und Seyyid Hac? Ibrahim Unterricht. Später soll er als Kadi (Richter) gearbeitet haben.

In der südwestanatolischen Stadt Ak?ehir als Ort seines Wirkens steht heute eine dort aufbewahrte Grabstätte, die seinen Namen trägt.

Die ersten Anekdoten über Nasruddin Hoca in türkischsprachigen Quellen befinden sich in der Saltu?-name von Ebülhayri Rumi (gest. 1480) und in Letaif von Lamii Çelebi (gest. 1531). Von  Lamii Çelebi wird Nasruddin Hoca als Zeitgenossen von ?eyyad Hamza (14. Jahrhundert) angegeben. Es hat sich allerdings überwiegend die Auffassung durchgesetzt, die auf den osmanischen Reisenden Evliya Çelebi zurückgeht. Evliya Çelebi schreibt im 17. Jahrhundert über seine Reise zum vermuteten Mausoleum Nasruddin Hocas in Ak?ehir und gibt dabei eine Anekdote an, in der Nasruddin Hoca mit Timur (gest. 1405) auftaucht. Versuche, den Charakter Nasruddin zu historisieren, gelten allerdings als spekulativ. Auf einer historischen Stiftungsurkunde (Vakfiye) aus den Jahren 1257 und 1266 findet man einen Verweis auf eine Person namens Nasruddin ?odscha, die vor den Kadi (Richter) treten musste. Es ist allerdings ungewiss. ,ob es sich um die gleiche Person handelt.

Neben der Existenz gedruckter Bücher, hat sich eine Tradition entwickelt, in der die   Verbreitung seiner Geschichten und ihrer Überlieferung in mündlicher Form zu finden ist. Diese Tradition hat sich in der Türkei bis heute erhalten. Die meisten Bücher mit Witzen von Hodscha Nasruddin sind in der Türkei erschienen, doch gibt es auch dort nur wenige umfangreiche Sammlungen.

Die Rolle des Nasruddin ist in seinen Witzen recht unterschiedlich. Manchmal spielt er die Rolle eines schlauen Menschen, manchmal die eines Idioten. Bedingt durch die weite geographische Verbreitung und die lange zeitliche Überlieferung wurden Nasruddin immer wieder neue Geschichten zugeschrieben. Die ihm zugeschriebenen Witze haben eine bunte Mischung aus Volksweisheit, Moral, Schlauheit, aber auch derben oder anzüglichen Inhalten sind. In Derwischkreisen wurden seine Witze unterschiedlich gedeutet. Mit seiner Figur versuchten die Derwische, Momentaufnahmen von Situationen zu geben, in denen bestimmte Zustände des Bewusstseins deutlich werden. Für die Sufis zählt die Botschaft Nasruddins mehr als seine Person. Die Nasruddin Geschichten haben somit eine allegorische Deutung.

Mulla Nasruddin ist in allen islamisch und christlich geprägten Regionen von Italien bis Indien bekannt. Auch wenn er von den meisten Völkern der oben erwähnten Regionen für sich beansprucht wird, bleibt seine ethnische Zugehörigkeit unbekannt.

 

Selma Öztürk

oeztuerk.s@gmx.de

Publiziert in der Ayasofya 37, 2011

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