Interview mit Ahmed Aries
Lehrbeauftragter an der Universität und ehemaliger Volkshochschuldirektor
Wie schätzen Sie die gegenwärtige Situation der Muslime in Deutschland ein?
Mir scheint sich die Situation zu verändern. Während bis vor wenigen Wochen die Verbände im Rahmen der Berliner Islam Konferenz dominierten, haben die beiden Religionsmonitore Espositos „Who speaks in the name of Islam?“ und der Bertelsmann Stiftung die Lage beeinflusst. So waren die Ergebnisse der Esposito Befragung Anlass für eine Aktuelle Stunde im Düsseldorfer Landtag. In diesem Winter scheint es so zu werden, dass man sich als engagierter Muslim an fast jedes Wochenende zwischen mindestens zwei Tagungen entscheiden kann. Und stets sind Muslime unter den Referenten. Die Stammtischredner scheinen in den Hintergrund zu treten. Ärgerlich ist, dass sich am rechten Rand Schlichtestes abspielt wie die Beschmierung von Gräbern in Hamburg. Ärgerlich bleibt die Einstellung zum Kopftuch. Dennoch, die Muslime sind Teil dieser Gesellschaft geworden. Sie werden sich daher an den offenen und kritischen Diskurs dieser Gesellschaft gewöhnen müssen, d.h. unsere Jungen wachsen mit ihm auf.
Sehen Sie es als nötig an, dass die Islamischen Gruppen in Deutschland zu einer Einigkeit finden? Wenn ja, warum?
Die Muslime sind angesichts dieser Gesamtlage in einer guten Position. Es gilt sie inhaltlich auszufüllen. Dazu gehören die juristischen Fragen und eine Antwort auf die föderalen Strukturen. Deutschland ist kein Zentralst
aat. Hieran wird man sich anpassen müssen. Die Landesregierungen brauchen sowohl einen politischen Ansprechpartner in ihrem jeweiligen Bundesland als auch einen mit dem sie juristisch zu verhandeln vermögen.
Was tun Sie persönlich, um diese Einigkeit herzustellen?
Als einem einzelnem (deutschem) Muslim bleibt nur das Wort kritischer Begleitung.
Wie sieht die Zukunft der Muslime in Deutschland aus? Können Sie das Jahr 2025 in Deutschland skizzieren?
Die Muslime werden eine normale religiöse Minderheit sein, insaallah. Sie werden sich in diesem Lande engagieren, d.h. nicht mehr in andere Länder reisen, um dort ihren Wehrdienst und Eid abzulegen, sondern Wehr- und Ersatzdienst leisten, als Mitglieder in den hiesigen Berufsverbänden, Gewerkschaften und Parteien; und wird vielleicht auch einen Roten Halbmond einschließlich islamischer Stiftungen geben.
publiziert in: Ayasofya, Nr.26, 2009, S.22-25