Rechtliches zu Verletzung bei Sportwettkämpfen

Rechtliches zu Verletzung bei Sportwettkämpfen

Das Oberthema dieser Ausgabe sind unter Anderem „Sport“ und „Gesundheit“. Genau zu diesen beiden Aspekten passend möchte ich in meinem ersten Beitrag mit Ihnen einige Informationen über Sportverletzungen und ihre rechtliche Beurteilung teilen.

Jeder Sporttreibende tut dies nicht nur, um einer monotonen und nur aus „arbeiten“ bestehenden Lebensführung etwas „Abwechslung“ reinzubringen. Sport hat auch eine schöne Nebenwirkung wie, dass er die Gesundheit fördert und gegen die heutige Gesellschaftskrankheit wie Depressionen/Burnout etc. entgegenwirken bzw. diesen kompensieren kann.

Deswegen meldet man sich in Sportvereinen wie Fußball, Handball, Basketball, Eishockey etc. an. Allen sportlichen Tätigkeiten ist gemeinsam, dass man in einer Wettkampfsituation ist. Mit anderen Worten: Man versucht seinem Gegner überlegen zu sein. Und genau hier setzte ich an.

Sind andere Menschen mit im Spiel, muss man sich zwangsläufig zumindest folgende Fragen stellen:

  1. Welche Ansprüche habe ich gegen meinen Gegner, wenn er mich verletzt?
  2. Bekomme ich Schmerzensgeld?
  3. Kann mein Arbeitgeber meinen Lohn streichen, wenn ich wegen diesem Unfall arbeitsunfähig bin?
  4. Kann ich strafrechtlich gegen den Verletzenden vorgehen?

Diese sind nur einige meines Erachtens wichtige Punkte, die sich ein Berufstätiger/Verletzter stellen muss, wenn er in seiner Freizeit Sport treibt. Diese Aufzählung ist natürlich nicht abschließend. Auch kann in diesem Beitrag nicht abschließend jede Folge berücksichtigt werden, da dies den Umfang des Beitrages sprengen würde.

Im Folgenden werden unter (I.) die Fragen 1. und 2. behandelt. Unter (II.) wird sodann die Frage 3 behandelt und schließlich unter (III.) die Frage 4 behandelt.

  1. Zivilrechtliche Folgen

Die Fragen 1. und 2. müssen als eine Einheit betrachtet werden. Denn hat der Verletzte einen Anspruch gegen den Verletzenden (1.), dann kann er auch Schmerzensgeld verlangen (2.).

Doch der Reihe nach:

Die gesetzliche Regelung, auf die der Anspruch bei einer Verletzung gestützt wird (§ 823 Abs. 1 BGB) setzt u.a. ein „Verschulden“ des Verletzenden voraus. Der Anspruch steht und fällt somit mit dem „Verschulden“. Laienhaft betrachtet ist „Verschulden“ das Nichteinhalten von (einfachen) Regeln, welches dann die Verletzung verursacht. Diesen muss der Verletzte ggf. beweisen.

Genau hier liegt dann auch in der Praxis das Problem bzw. der Schwerpunkt. Es stellt sich die Frage, ob der Verletzende gegen solche Regeln verstoßen hat bzw. ob der Regelverstoß für die Annahme des „Verschuldens“ genügt.

Die höchstrichterliche Rechtsprechung (also die Entscheidung des Bundesgerichtshofes) sagt hierzu folgendes:

Ein „Verschulden“ ist dann anzunehmen, wenn der Verletzende „gegen die Regeln des sportlichen Wettkampfs verstoßen und dabei einen anderen verletzt hat“ (vgl. BGHZ 58, 40, 43; BGHZ 63, 140, 142; BGHZ 154, 316, 323; BGH VersR 1957, 290).

Das heißt im Umkehrschluss, dass ein „Verschulden“ nicht angenommen wird, wenn der Verletzende sich regelgerecht und dem Fairnessgebot entsprechend verhalten hat und es zu einer Verletzung kam. (vgl. BGHZ 63, 140, 143; BGHZ 154, 316, 323; OLG Köln, VersR 1994, 1072).

Aber aufgepasst! Ein (einfaches) regelwidriges Verhalten, welches zu einer Verletzung geführt hat, begründet nicht per se ein „Verschulden.“ Hier sagt die Rechtsprechung, dass der Verletzte durch die freiwillige Teilnahme an dem Wettkampf, für Verletzungen durch einfaches regelwidriges Verhalten einwilligt bzw. ein Haftungsausschluss konkludent vereinbart wurde. (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 02.04.2004 – 14 U 230/03; OLG Saarbrücken, Urteil vom 02.08.2010 – 5 U 492/09; OLG Köln, Beschluss vom 16.08.2010 – 11 U 96/10 sowie LG Coburg, Urteil v. 27.10.2015 – 23 O 58/15; OLG Hamm, Urteil vom 07. Februar 2017 – I-9 U 197/15 –, Rn. 19, juris).

Mit anderen Worten: Er ist damit einverstanden, dass er (möglicherweise) durch einfache Regelverstöße verletzt wird.

Aufgrund der freiwilligen Teilnahme des Verletzten am Sportwettkampf, „bestimmen sich die Sorgfaltsanforderungen an den Teilnehmer eines Wettkampfs nach den besonderen Gegebenheiten des Sports, bei dem sich der Unfall ereignet hat“ (vgl. BGHZ 58, 40, 43; BGH VersR 1976, 775, 776).  Das heißt, dass die Wettkampfsituation und die konkrete Sportart berücksichtigt werden müssen.

„Dabei sind sie an der tatsächlichen Situation und den berechtigten Sicherheitserwartungen der Teilnehmer des Wettkampfes auszurichten“ (vgl. BGHZ 63, 140, 142 ff.; BGH, VersR 2009, 1677 f. [BGH 27.10.2009 – VI ZR 296/08]; OLG Düsseldorf VersR 1996, 343 f.). Mit anderen Worten: Muss der Verletzte erkennen, dass er möglicherweise verletzt wird, kann er sich dann nicht auf einen einfachen Regelverstoß berufen.

Damit Sportwettkämpfe noch als „Erholung/Ausgleich“ dienen und nicht wegen der Haftungsfrage für sich ein Stressfaktor werden, hat die Rechtsprechung bei Sportwettkämpfen die Skala für die Annahme eines „Verschuldens“ hochgesetzt.

Ein „Verschulden“ wird damit nur dann angenommen, wenn die durch den Spielzweck gebotene bzw. noch gerechtfertigte Härte die Grenze zur Unfairness überschreitet.

Solange sich das Verhalten des Spielers noch im Grenzbereich zwischen kampfbetonter Härte und unzulässiger Unfairness bewegt, ist ein Verschulden trotz objektiven Regelverstoßes nicht gegeben“ (BGH, VersR 1976, 591; NJW 2008, 1591 [BGH 29.01.2008 – VI ZR 98/07]; OLG Hamm, VersR 1999, 1115; OLG Hamm, Urteil vom 07. Februar 2017 – I-9 U 197/15).

Mit anderen Worten: Wenn der Gegner durch groben Regelverstoß etwas „härter an den Mann geht“ und ihn dabei verletzt, reicht das nicht. Die Rechtsprechung erkennt, dass in der Wettkampfsituation es zu kampfbetonten Härten kommen kann und nicht jeder „harte Durchgriff“ gleich das „Verschulden“ bestätigt.

 Es muss die Grenze der „Unfairness“ überschritten werden. Das wird immer bei „Vorsatz“ (Verletzender wollte ausschließlich schädigen) und „gröblichem Pflichtverstoß“ (Fälle, die ein „Oha-Yani! hervorrufen))“ der Fall sein.

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Ein Schmerzensgeldanspruch (Frage 2) bemisst sich nach dem Verletzungsumfang. Konkrete Zahlen können nicht genannt werden. Wie bereits aufgezeigt, liegt der Schwerpunkt bei Schmerzensgeldansprüchen nach einer Wettkampfverletzung vielmehr am Punkt „Verschulden“. Die Praxis verneint öfters das „Verschulden“, wenn zwar ein grober Pflichtverstoß, aber kein gröblicher Pflichtverstoß vorliegt. Ob ein Verstoß gröblich ist, entscheidet das Gericht. Den Sachverhalt zur Entscheidung muss der Verletzte darlegen/vortragen und beweisen.

  1. Arbeitsrechtliche Folgen

Es ist öfters anzutreffen, dass nach solchen Wettkampfverletzungen die Verletzten dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen und einige Zeit von ihrem Arbeitsplatz fernbleiben.

Im Arbeitsrecht herrscht der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Geld“. Nur Ausnahmsweise kann ohne Arbeit Geld verlangt werden. Die zwei wichtigsten (hier in Frage kommenden) Rechtsgrundlagen für den Verletzten sind

  • § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz
  • § 616 S. 1 BGB

Beiden Regelungen ist gemeinsam, dass auch hier das „Verschulden“ zu prüfen wäre. Aber diesmal kommt es auf das „Verschulden des Verletzten“ an und nicht wie unter I. die des Verletzenden.

Mit anderen Worten: Es stellt sich die Frage, ob der Verletzte Arbeitnehmer schuld daran ist, dass er nicht mehr zur Arbeit kommen kann. Denn ist der Arbeitnehmer selbst schuld, so darf das nicht zu Lasten des Arbeitgebers gehen.

Viele Arbeitnehmer sagen hier: „Ist ja nicht meine Schuld, dass ich verletzt wurde.“ Doch hier ist nicht Anknüpfungspunkt die konkrete Verletzungshandlung des Gegners, sondern dem Arbeitnehmer wird vorgeworfen, (einfach gesagt) eine bestimmte/extrem gefährliche Sportart betrieben zu haben bzw. eine Sportart sehr leichtsinnig getätigt zu haben.

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sagt, dass bei Sportunfällen „Verschulden“ immer dann in Betracht kommt, wenn es sich um eine besonders gefährliche Sportart handelt. Allein die Beteiligung an dieser Sportart führt dann zum „Verschulden“. Anknüpfungspunkt ist die konkrete Sportart als solche.

Das ist dann der Fall, wenn das Verletzungsrisiko bei objektiver Betrachtung so groß ist, dass auch ein gut ausgebildeter Sportler bei sorgfältiger Beachtung aller Regeln dieses Risiko nicht vermeiden kann, d.h. wenn der Sportler das Geschehen nicht mehr beherrschen kann, sondern sich unbeherrschbaren Gefahren aussetzt“ (BAG, Urteil v. 7.10.1981  – 5 AZR 338/79).

Das BAG (Urteil v. 7.10.1981 – 5 AZR 338/79) hat bisher noch keine Sportart als gefährlich i.d.S. bezeichnet, woraus direkt ein „Verschulden“ abzuleiten wäre.

Kann das „Verschulden“ nicht allein auf die Beteiligung an eine besonders gefährliche Sportart geknüpft werden, wird dann an das konkrete Verhalten des Arbeitnehmers angeknüpft. Danach ist „Verschulden“ gegeben, wenn sich der Arbeitnehmer in einer seine Kräfte und Fähigkeiten deutlich übersteigenden Weise betätigt oder wenn er gröblich gegen anerkannte Regeln oder Erfahrungssätze sowie Sicherheitsvorkehrungen verstoßen hat (BAG, Urteil v. 7.10.1981 – 5 AZR 338/79). Dabei ist in jedem Einzelfall je nach Sportart zu untersuchen.

Mit anderen Worten: Wenn der Arbeitnehmer beim Sport besonders leichtsinnig handelt und es eigentlich nur noch vom Zufall abhängt, dass er verletzt wird oder nicht, ist „Verschulden“ gegeben.

Nur wenn einer dieser Tatbestände festgestellt werden kann, ist die Arbeitsunfähigkeit schuldhaft verursacht und der Geldanspruch des verletzten Arbeitnehmers entfällt.

In der Praxis wird in den wenigsten Fällen der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein „Verschulden“ nachweisen können. Versucht wird dies aber sehr oft…auch mal mit Erfolg.

  1. Strafrechtliche Folgen

Der Straftatbestand der (einfachen) Körperverletzung (§ 223 f. StGB) sowie der fahrlässigen Körperverletzung (§ 229 StGB) sind gegeben. Jedoch wird in beiden Fällen zu Gunsten des Verletzenden jedenfalls die Einwilligung (§ 228 StGB) des Verletzten greifen, sodass hier bei einfachen Regelverstößen eine Strafbarkeit ausscheiden sollte.

Auch die Strafgerichte führen auf, dass die Einwilligung nicht bei groben bzw. vorsätzlichen regelwidrigen Verhalten gelten (BGH 4 S. 88-92; Bay 60, S. 266; 61, S. 180). Zu beachten ist, dass im Strafrecht die Einwilligung nur die einfache Fahrlässigkeit „beseitigt“. Eine grobe Fahrlässigkeit ist nicht mehr von der Einwilligung umfasst. Hier liegt auch der Unterschied zu (I.), wo nur ein gröblicher Pflichtverstoß von Bedeutung war. Im Strafrecht wird diese „Strenge“ nicht beibehalten. Dies greift zu Gunsten des Verletzten.

Im Strafverfahren kann über das sog. Adhäsionsverfahren dann ein Schmerzensgeldanspruch geltend gemacht werden, § 403 StPO. Dies setzt aber voraus, dass der Verletzte seinen Anspruch nicht bereits zivilgerichtlich verfolgt, da in diesem Fall die Angelegenheit vor einem „anderen Gericht anhängig“ wäre und die Voraussetzung des § 403 StPO entfallen würde.

Die Höhe des Schmerzensgeldes bestimmt das Strafgericht auf Grundlage des Vortrages des Verletzten als Zeugen. Ob der Schmerzensgeldanspruch im Strafverfahren genauso hoch ausfällt wie vor einem Zivilgericht, ist eine andere Frage. Dies sollte aber verneint werden.

  1. Abschließend

Es wurde aufgezeigt, welche rechtlichen Folgen eine Verletzung beim  (Vereins-)Sport haben kann. Ferner wurde aufgezeigt, dass die Einwilligung vor dem Zivilgericht und dem Strafgericht unterschiedlich schwer gewichtet wird, sodass möglicherweise strafrechtlich eher ein Schmerzensgeldanspruch mittelbar durchgesetzt werden kann als zivilrechtlich.

Dieser Beitrag sollte natürlich nicht davor abschrecken, sich an Sportwettkämpfen zu beteiligen bzw. in der Freizeit Sport zu treiben.

In einem Rechtstaat sollte jeder Bürger nicht nur seine Pflichten, sondern auch seine Rechte kennen (dürfen). Allein diesem Zweck dient dieser Beitrag.

Möge dieser Beitrag einigen unter den Leserinnen und Lesern etwas „Licht ins Dunkle“ bringen.

Dr. Ramazan Efe

Ayasofya Nr.61